Bei unserem letzten Linux-Stammtisch wurde mir von Peter eine Linux-Distribution gezeigt, die sich vor allem durch ihre Oberfläche von anderen Distributionen abhebt – Deepin-Linux. Aus China stammend, zeigt sie uns: Trotz Zensur gibt es auch im Reich der Mitte eine aktive Community rund um die IT (im Allgemeinen) und um Linux (im Speziellem). Der Desktop wirkte auf den ersten Blick, als wäre es auf Touch optimiert. Touch ….. Touch ….. Da liegt doch noch das alte Latitude 2100 Touch-Netbook rum ….. Installation! …..
Ich verwende das Netbook nur noch als Datenlogger für meine Akkuladegeräte. Passiv gekühlt und stromsparend ist es hierfür der optimale Begleiter. Lediglich das Touch-Display nutze ich nicht, da die Integration in Windows XP (ja immer noch XP – aber ich mach auch nix mehr mit dem Teil) eher suboptimal ist.
Also erstmal die XP-Partition verkleinern (Gparted live) und dann Deepin installieren.
Eckdaten des Netbooks: Intel Atom Z280 (1,6GHz Single Core mit Hyperthreading), 2G Ram, Intel Grafikkarte, 120GB HDD, Lan, Wlan, Touch.
Kurze Eckdaten von Deepin: Basierend auf Ubuntu (oder doch Mint?) zeichnet es sich vor allem wegen der grafischen Oberfläche, mit dem Namen DDE (Deepin Desktop Environment), aus. Das Besondere daran ist, dass diese Oberfläche auf HTML5 basiert. Deepin gibt es seit mindestens 2004 (distrowatch.com) und hat über Xfce und Gnome zu seinem eigenen Desktop-Environment gefunden, welches seit Mitte 2012 verwendet wird.
Als Installationsmedium kommt ein USB-Stick zum Einsatz, auf dem via „dd“ das Iso-Image geschrieben wurde. Der Start von USB erfolgt ohne Überraschungen.
Es wurden lediglich einige wenige Fragen bei der Installation abgefragt, aber selbst bei einer Dualboot-Installation sollte es für jeden möglich sein, Deepin zu installieren.
Den ersten Hänger hatte ich bei der Auswahl der Zeitzone– ich kam nämlich nicht mehr zurück zur Installationsübersicht. Lag vorwiegend daran, dass ich zu kompliziert dachte. Irgendwann fand ich dann doch den „Button“ – irgendwie war die Position logisch.
Die Installation zeigte eine Vorschau auf einige Feature, wobei hier schon zu erkennen ist, dass die Übersetzungen der Texte scheinbar durch einen online-Translator übersetzt wurden. Aber das soll hier mal nicht stören.
Fehlermeldungen gab es keine und es wurden auch (fast) alle Hardwarekomponenten erkannt. Dass selbst der Touchscreen erkannt wurde schmerzte dann schon fast in den Ohren, wegen dem breiten Grinsen.
Da das Netbook nur noch offline als datalogger verwendet wird, wollte ich mir die arbeit ersparen die Wlan-Mac-Adresse in den Mac-Filter meines Routers einzutragen und habe deshalb einen Wlan-Dongle verwendet. Prompt wurde dieser nicht erkannt – bzw. erkannt schon und auch der benötigte Treiber wurde angezeigt, nur eben nicht installiert. Aber der fehlende Treiber könnte, bei bestehender Internetverbindung, online bezogen werden, oder über eine Linux Mint 17 CD (auf USB geht’s auch), was ich dann auch so machte (hatte auch keine Lust ein Lankabel quer durch den Raum zu schmeissen). Das ist übrigens der Grund, warum ich Eingangs vermutet habe, dass es nicht direkt auf Ubuntu, sondern auf Mint basierend ist (auch wegen der genialen Hardwareerkennung). Mit Gewissheit kann ich das aber nicht sagen, vielleicht „räubern“ die Macher nur in verschiedenen Distributionen herum. Grundsätzlich ist es aber auch egal, ob Deepin nun ein Ur-Enkel oder Ur-Ur-Enkel vom Debian ist – es ist der Unterbau der die Stabilität bringt.
Beim ersten Start wird auch gleich eine Einweisung angeboten, welche – wenn man sie auswählt – sich aber nicht unterbrechen lässt. Durch aus interessant, nervt es aber vor allem durch erwartete Interaktionen des Users. Somit ist ein einfaches Durchklicken nicht möglich, sondern man muss tatsächlich etwas mitdenken (ein klitze kleines bisschen).
Diese Einführung ist aber nicht notwendig und man kann diese zu Beginn auch überspringen. Die Oberfläche ist sauber strukturiert und man findet sich schnell zurecht. Die Icons haben das gewohnte aussehen und dadurch ist Deepin eigentlich intuitiv zu bedienen.
Super finde ich die Systemeinstellungen, welche in einem Balken auf der rechten Seite erscheinen und alle Settings sauber gegliedert anzeigt. Auch die geringe Auflösung meiner Netbooks (1024×600) war hier keine Barriere, denn auch die (zu einer schmal werdenden) Auswahlleiste der einzelnen Menüpunkte ließ sich, unabhängig vom Bereich der Einstelloptionen, scrollen.
Ein weiteres Highlight ist der Deepin-Store, welcher Softwarepakete gut strukturiert darstellt.
Witzig finde ich auch die Grafiken, welche dem User Informationen über die einzelnen Storebereiche anzeigen. Hier ist schon im Aussehen der Figuren die Herkunft des Systems erkennbar.
Nicht so toll ist, dass auf der Konsole nicht das deutsche Tastaturlayout zur Verfügung stand. Hier muss man selber Hand anlegen. Der einfache User wird hier vermutlich etwas mehr Zeit aufwenden müssen, aber auf Grund der weiten Verbreitung von Debian und seinen Derivaten sollte auch hier schnell Hilfe im Internet gefunden werden können (sudo dpkg-reconfigure locales bzw. sudo dpkg-reconfigure console-setup).
Fazit:
Auf meinem Netbook läuft die Sache schon sehr zäh. Da ist WinXP/Win7deutlich flüssiger (sollte mal ein Win8 ausprobieren – das sollte ja für schwache Hardware optimiert sein.). Die pauschale Aussage, dass Linux sich auch für ältere/schwächere Hardware eignet, ist in Zeiten von komfortablen GUI´s nicht mehr ganz richtig. Es gibt schlanke GUI´s, die auch auf schwacher Hardware flott laufen – oder man nutzt einfach nur die Konsole – , aber die Deepin-Entwickler verfolgen vermutlich andere Ansätze. Die Entwicklung eines Desktops auf Basis von HTML5 ist hier eher die Revolution. Die Optik ist gefällig und die Bedienung schlüssig.
Ich finde, Deepin ist eine schöne, schlanke, aber nicht zwingend Ressourcen schonende, Distribution. Sie hat in der Technik (html5-GUI) und der Bedienung super Ideen umgesetzt und ich werde die Distribution sicherlich weiter beobachten – einen Umstieg Deepin ist aber nicht in Sicht.